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Interview mit Frau Dr. Barbara Romero – Pionierin der Demenzbehandlung

Wir freuen uns sehr, dass wir die Gelegenheit hatten, ein Interview mit Frau Dr. Barbara Romero führen zu dürfen. Als renommierte Klinische Neuropsychologin und Entwicklerin der Selbsterhaltungstherapie (SET) hat sie maßgeblich zur modernen Behandlung von Demenz beigetragen. Ihre Arbeit und ihr innovativer Ansatz haben einen enormen Einfluss auf die Therapieformen in Deutschland, insbesondere unserer Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie (TK II) in Mainz-Bretzenheim, die seit 10 Jahren erfolgreich nach ihrem Konzept arbeitet.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen, Frau Dr. Romero! Sie sind eine anerkannte Expertin auf dem Gebiet der Demenz und haben die Selbsterhaltungstherapie (SET) entwickelt. Könnten Sie uns zunächst kurz etwas über Ihren beruflichen Werdegang erzählen?

Dr. Barbara Romero: Sehr gerne. Ich habe Psychologie an der Universität Warschau studiert und war später als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der LMU und TU München tätig. Meine berufliche Spezialisierung begann in der Neuropsychologie, insbesondere in der Behandlung von Folgen von Gehirnschädigungen. Zunächst lag mein Fokus auf Schädel-Hirn-Traumata, doch im Laufe der Zeit rückte Demenz immer mehr in den Mittelpunkt. Damals gab es in Deutschland nur sehr wenige Forschungen zu Demenz, keine Alzheimer-Gesellschaft und auch keine spezifischen Medikamente. Die Arbeit auf diesem Gebiet war in vielerlei Hinsicht Pionierarbeit, besonders aufgrund der demografischen Entwicklungen und der steigenden Zahl von Demenzerkrankungen.

Sie haben das Konzept der Selbsterhaltungstherapie (SET) entwickelt. Was genau verbirgt sich hinter diesem Ansatz, und wie unterscheidet er sich von anderen Therapien?

Dr. Barbara Romero: Mitte der 1980er Jahre war die vorherrschende Meinung, dass man bei einer Demenzerkrankung nicht viel tun könne. Die ersten Schritte bestanden hauptsächlich darin, Diagnosen zu stellen. Doch ich erkannte schnell, dass es ebenso wichtig war, den Betroffenen und ihren Angehörigen zu helfen. So entstand die erste Angehörigengruppe, aus der später die Münchener und dann die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft hervorging.

Mein Ansatz, die Selbsterhaltungstherapie, fokussiert sich darauf, die verbleibenden Fähigkeiten von Menschen mit Demenz zu nutzen und zu fördern, anstatt sich ausschließlich auf deren Defizite zu konzentrieren. Auch wenn bestimmte Kompetenzen unwiederbringlich verloren gehen, gibt es immer noch Fähigkeiten, die erhalten bleiben und weiterentwickelt werden können. Beispielsweise kann jemand nicht mehr schreiben, aber vielleicht noch singen oder spazieren gehen. In der SET ist das Umfeld – Familie oder Pflegepersonal – von zentraler Bedeutung, um den Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Es ist sehr wichtig, die Personen gut zu kennen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Die Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie (TK II) in Mainz-Bretzenheim feiert ihr 10-jähriges Bestehen und wendet Ihr Konzept an. Wie kam die Zusammenarbeit mit der TK II zustande?

Dr. Barbara Romero: Als wissenschaftliche Leiterin und Konzeptgeberin des Alzheimer-Therapiezentrums Bad Aibling hatte ich häufig die Gelegenheit, bei Fachveranstaltungen als Referentin aufzutreten. Das Interesse an meinem Ansatz der Selbsterhaltungstherapie (SET) war in der Fachwelt schon damals groß. Nach einem meiner Vorträge im Jahr 2004 wurde ich von einem Zuhörer angesprochen, der mich fragte, ob es denkbar wäre, dieses Konzept auch in einer Tagesklinik zu etablieren.

Nach zehn Jahren meldete sich die Tagesklinik in Mainz-Bretzenheim erneut, und ich unterstützte sie intensiv bei der Schulung des Teams, um die Umsetzung des Konzepts erfolgreich zu gestalten. In der Anfangszeit arbeiteten wir eng zusammen, mit vielen Besprechungen, Supervisionen, Publikationen und Kongressen. In den ersten Jahren war ich stark in die Arbeit involviert. Es freut mich sehr zu sehen, wie erfolgreich das Konzept heute in der Klinik umgesetzt wird. Die Einrichtung ist wunderschön, und das Team zeigt ein bewundernswertes Engagement. Es war eine Freude, zu beobachten, wie die Mitarbeiter*innen sich mit so viel Hingabe und Beteiligung eingebracht haben.

Eignet sich eine Tagesklinik besonders gut für die Umsetzung Ihres Konzepts? Was sind die Vorteile dieser Art von Einrichtung?

Dr. Barbara Romero: Absolut. Eine Tagesklinik bietet den idealen Rahmen, um Menschen mit Demenz in einem geschützten Umfeld gezielt zu unterstützen. Dieser Rahmen erlaubt es nicht nur, individuell auf die Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen, sondern auch ihre Angehörigen in den therapeutischen Prozess einzubinden, was für den langfristigen Erfolg entscheidend ist.

Diese Einbindung der Angehörigen schafft ein starkes Netzwerk, das die Patienten in ihrem Kampf gegen die Krankheit unterstützt. Das gemeinsame Zusammenwirken hilft nicht nur, die Lebensqualität der Patient*innen zu verbessern, sondern auch, dass alle Beteiligten, einschließlich der Angehörigen, die Herausforderungen besser bewältigen können. Das Verständnis der Krankheit, die Akzeptanz der veränderten Lebensrealität und die ständige Unterstützung durch die Angehörigen spielen eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung meines Therapieansatzes.

In einer Tagesklinik wie der TK II entsteht eine enge Zusammenarbeit zwischen den Patient*innen, den Angehörigen und dem multiprofessionellen Team, das aus Therapeuten, Pflegern und Ärzten besteht. Diese Struktur ist entscheidend, um eine optimale Therapieumgebung zu schaffen, in der die Betroffenen medizinisch, therapeutisch und emotional umfassend betreut werden können.

Wie ist Ihr Kontakt zur TK II heute? Arbeiten Sie noch aktiv mit der Klinik zusammen?

Dr. Barbara Romero: Heute besteht kein direkter beruflicher Kontakt mehr, aber der freundschaftliche Austausch bleibt. Vor zwei Jahren war ich noch bei einer zweitägigen Veranstaltung der TK II, bei der wir das SET in verschiedenen Settings vorgestellt haben. Solche Vernetzungen sind unglaublich wichtig, da sie zur Weiterentwicklung der Ansätze beitragen.

Zum Abschluss: Gibt es besondere Wünsche, die Sie der TK II zu ihrem 10-jährigen Jubiläum mit auf den Weg geben möchten?

Dr. Barbara Romero: Mein Wunsch für die TK II ist, dass sie sich weiterhin entwickelt. Das Konzept der Selbsterhaltungstherapie lebt von ständiger Anpassung und Verbesserung. Die Mitarbeiter leisten bewundernswerte Arbeit, aber es ist wichtig, immer wieder neue Ansätze zu integrieren und sich den Herausforderungen zu stellen. Solche Einrichtungen wie die TK II sind unverzichtbar, und ich hoffe, dass wir in Zukunft noch mehr von diesen haben werden – Wartezeiten von über einem Jahr sind einfach nicht akzeptabel.

Vielen Dank, Frau Dr. Romero, für dieses spannende Interview und Ihre wertvollen Einblicke!

Mehr über Frau Dr. Romero und Ihren Therapieansatz erfahren Sie hier: https://www.set-institut.com/